23 Mai 2001

Süddeutsche Zeitung 2001

Posted in In den Medien

Da hängen sie. In einem kleinen Büro. Mahatma Ghandi, links J.F.Kennedy. Schwarz-weiß sind sie. Gerahmt. Mit Unterschrift auf ihrem eigenen Foto. Sie blicken auf die gegenüberliegende Wand. Vielleicht lächeln sie Mutter Theresa an. Oder Albert Einstein.

Und da sitzt auch einer, der erzählt, wie er sie bekommen hat. Markus Brandes, vierundzwanzig Jahre alt. Sein Geschäft sind fremde Namen. Er handelt mit Unterschriften von bekannten Menschen. Toten und Lebendigen. Nicht nur mit deren Unterschriften. Auch mit Dokumenten, persönlichen Briefen, alten Schriftstücken. Autographen nennt man diese, im Gegensatz zu bloßen Autogrammen.

Als er dreizehn Jahre alt war, ging es los. Jeder Drei-Viertel-Star war damals für eine Unterschrift interessant. Jeder Synchronschwimmer, der eine Silbermedaille gewonnen hatte, gut genug. An seine Lieblingsfußballspieler hat Markus geschrieben und sich wie verrückt gefreut, wenn Autogrammkarten signiert zurückkamen. Irgendwann hat er um mehrere Unterschriften auf einmal gebeten zum Tauschen mit anderen Autogrammsammlern. Das Jagdfieber packte ihn. Die Freude. Die Sucht zu sammeln. Erste Tauschlisten kamen auf. Inserate in Zeitschriften, um mit anderen Sammlern Kontakt zu bekommen.

Autogramme können viele Geschichten erzählen: Von einem Star, der so betrunken ist, dass er keinen Stift mehr halten kann. Der ihn irgendwann doch umklammert und sein Foto wie ein Kleinkind zumalt. Würde keiner glauben, dass er einmal so signiert hat. Aber das gibt es eben auch: Unterschriften, die nicht im Normalzustand unterschrieben werden.

Schwer herauszufinden, ob eine Unterschrift dann echt ist oder nicht. Markus kann es. Er hat einen Blick dafür. Nebenbei macht er ein Fernstudium in Graphologie. “Bestimmte Charaktereigenschaften der Schrift ändern sich nie“, erklärt er. “Auch wenn man noch so schnell und unleserlich unterschreibt.“ Markus weiß von jedem Star, ob er Links- oder Rechtshänder ist. Das macht viel aus. Er findet heraus, in welchem Jahr eine Unterschrift ungefähr gegeben worden ist. Hierbei dient natürlich auch spezielles Handwerkszeug wie besondere Lupe, usw. Einige wichtige Kriterien sagen auch aus, ob zu der Zeit eher mit Tinte, Kulis oder Filzstiften unterschrieben wurde.

Natürlich kann selbst er mal auf Fälschungen reinfallen. Nur wenn er selbst von der Echtheit überzeugt ist, geht das Autogramm an den Kunden. Daher kann er für seinen Kunden mit gutem Gewissen ein Zertifikat ausstellen und mit einer Geld-zurück-Garantie garantieren. Er genießt das Vertrauen seiner Kunden und ist Mitglied vieler Autogrammsammler-Clubs Viele Fachleute und Clubs legen großen Wert auf sein fachkundiges Urteil.

In den Schränken stapeln sich ganze Ordner voll von Autogrammen. Insgesamt sind es über 20 000. Persönliche Stücke von Berühmtheiten sind gefragt: Ein Autogramm übermittelt das Gefühl drei oder vier Sekunden aus dem Leben ihres Stars festhalten zu können.

“Soll ich noch was vom Papst suchen? Von Napoleon? Oder lieber Elvis?“. Man sieht Markus an, dass sein Job ihn glücklich macht. Zum Teil arbeitet er auch rund um die Uhr, wenn Tauschbörsen oder Auktionen im Internet auf der anderen Seite der Erdkugel stattfinden. Es ist sein Hobby, seine Liebe und sein Beruf und er ist mit Leib und Seele dabei. ,,Dafür gönne ich mir bei schönem Wetter auch mal ein paar Stündchen Pause tagsüber." Das Handy ist allerdings dann immer dabei um auch hier Ansprechpartner für seine Kunden zu sein. Nein es ist kein gewöhnlicher Handel, denn inzwischen haben sich hierbei auch richtige Freundschaften zwischen ihm und den Kunden entwickelt.

Vor fünf Jahren hat er das Sammeln als Gewerbe angemeldet, seit zwei Jahren ist es sein richtiger Beruf. Er baute seine eigene Website, sicherte sich die richtigen Domainnamen. Weltweit hat er ungefähr 2000 Kunden, die bei ihm auch rund um die Uhr anrufen oder im Internet nachschauen, welche neuen Stücke seine Sammlung zu bieten hat. Darunter Leute, die sich mit Geld alles kaufen können und daher die Autogramme und Autographen als Wertanlage sehen. Manchmal kommen Anfragen von Museen und Archiven, die ihre Sammlungen erweitern wollen.

In New York, in Los Angelos, in Paris, in vielen Städten der Welt kennt Markus Leute, die zu Prominentenpartys gehen. Vorher haben sie bei Agenturen Fotos bestellt und lassen die Stars darauf unterschreiben. Markus kauft und verkauft diese Stücke weiter.

Ab und zu kommt Markus jedoch auch selbst in den Genuß sich mit der einen oder anderen Persönlichkeit zu unterhalten, wie z. B. Shirley Eaton, oder Dave Prowes, Darth Vader aus StarWars. Als ein großer Höhepunkt sieht Markus das Treffen mit dem Dalai Lama, das voraussichtlich im August zustande kommen wird.

“Vielleicht bekomme ich noch einmal ein schönes Unikat von Mahatma Ghandi. Es gibt wirklich niemanden, den man in seinem kleinen Büro nicht entdecken kann. An allen Wänden bekannte Gesichter. Die Beatles lehnen in einer Ecke. Einen lausigen Stehplatz haben die Jungs bekommen. Es gibt bald keinen Platz mehr. Nicht mal für sie.

Die Geschäfte laufen gut und Markus wird sich wohl bald nach größeren Geschäftsräumen umsehen müssen.                        

Infos unter www.autogramme.com

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