Autogramme erzählen Geschichten

Autogramme erzählen Geschichten

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Aber die Unterschrift vom Vorzeige-Liberalen der Nation wird erst dann richtig interessant für Belz, wenn die Bundestagswahl 2009 entschieden ist. Denn dann, so prognostiziert der 50-jährige Sinntaler aus dem Ortsteil Weichersbach, wird Westerwelle heißer Kandidat für einen Ministerposten sein. Und damit hat sich der FDP-Politiker für das Sammelgebiet von Erhard Belz qualifiziert.


Denn der politisch interessierte Marketing-Fachmann ist seit Ende der 1980er Jahre auf der Jagd nach besonderen Zeitdokumenten: den Autogrammen von Kanzlern und ihren Weggefährten seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis dato. Und den 60. Jahrestag der Unterzeichnung des Grundgesetzes, der auf den heutigen 23. Mai fällt, feiert Erhard Belz auf seine persönliche Weise:


Er hat unter dem Titel „Autogramme erzählen Geschichte“ ein Buch zur Historie der Bundesrepublik produziert. Es ist ein Geschichtsbuch der besonderen Art, das Belz veröffentlicht. Er lässt im Wesentlichen die Bilder und Signaturen für sich sprechen – ergänzt durch Kurzbiographien und markante Zitate.


Das beginnt mit „Hurra, wir leben noch“ – dem erleichterten Jubel der Berliner Bürger am 12. Mai 1949 nach der Beendigung der Blockade West-Berlins durch die Sowjets und endet mit „Die schwerste Entscheidung meiner Amtszeit.“ So kommentierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Ende vergangenen Jahres das größte Konjunkturpaket der deutschen Geschichte, das sie mit Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) auf den Weg gebracht hatte.

„Hurra, wir leben noch“

Dazwischen finden sich auf den Seiten des Buches nicht minder interessante Momentaufnahmen: Etwa ein Foto von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer, der in der Ära Helmut Schmidt von der Terrororganisation RAF entführt worden war. Oder die Affäre Günther Guillaume, des persönlichen Referenten von SPD-Kanzler Willy Brandt, der sich später als DDR-Spion entpuppte. Belz ergänzt Guillaumes Autogramm und Konterfei mit dem Zitat: „Ich bin Bürger der DDR und ihr Offizier – respektieren Sie das!“ Denn so soll der Agent am frühen Morgen des 24. April auf seine Verhaftung reagiert haben.


„Jede Epoche hat ihre eigenen Dynamik“, erläutert Belz. „Aus meiner Sicht ist keine Zeit besser oder schlechter – spannend sind alle Phasen.“
So fesselnd gar, dass der Weichersbacher Sammler manchmal richtiggehend „abtaucht“, wenn er sich mit seinen Schriftstücken und Fotografien beschäftigt. Dabei kommt ihm beileibe nicht alles ins Haus: „Ich setze auf Klasse statt Masse.“ Das heißt: Belz konzentriert sich auf sein Sammelgebiet und überprüft die Quellen, aus denen Autogramme und Autographe stammen absolut sorgfältig. Seiner Ansicht nach gibt es nur „drei oder vier seriöse Händler in Deutschland“. Fündig wird der Weichersbacher meist beim Studieren von speziellen Sammlerkatalogen – oder auf Auktionen. Auch im Internet lasse sich das eine oder andere Schnäppchen machen – allerdings sei da noch mehr Vorsicht geboten. Auf die Frage, wie er an die Urlaubs-Postkarte von Markus Wolf, dem einstigen Geheimdienstchef der DDR, gekommen ist, lächelt Belz geheimnisvoll. „Die haben seine Bonner Freunde zu Geld gemacht“, erklärt er.

Zu bekommen sei fast alles, was das Sammlerherz begehrt: „Das ist nur eine Frage des Preises.“ Belz’ teuerstes Stück findet sich im Buch relativ weit vorn: Ein Brief von US-Präsident John F. Kennedy. Eines der günstigsten Sammelstücke ist – der Chronologie wegen – auf der letzten Seite angesiedelt. Das Autogramm von Peer Steinbrück hat Belz ganze 1,50 Euro gekostet.

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Obwohl der Weichersbacher 60 Jahre Bundesrepublik mit seiner Sammlung auf eindringliche Weise dokumentieren kann, ist doch noch ein Wunsch offen. Der Sammler hätte gern ein Foto und die dazugehörigen Unterschriften der Haupt-Akteure der Zwei-plus-Vier-Konferenz, in deren Zuge die Wiedervereinigung Deutschlands besiegelt wurde.
Die Unterzeichner des Staatsvertrags waren die Außenminister Hans-Dietrich Genscher für die Bundesrepublik, Lothar de Maizière (in Vertretung für den zurückgetretenen Markus Meckel) für die DDR, Roland Dumas für Frankreich, Eduard Schewardnadse für die UdSSR, Douglas Hurd für Großbritannien und James Baker für die USA.

 

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Denn das Autogramm-Buch ist naturgemäß auch eine Dokumentation der Wiedervereinigung. Für den „Berlin-Fan“ Belz, der 1990 eigens in die Metropole reiste, um letzte Blicke auf die Mauer zu erhaschen und ein paar Brocken davon zur Erinnerung mit ins Sinntal zu nehmen, eine Herzensangelegenheit.

Sein Buch hat der Sammler übrigens seiner Frau und den drei Kindern Karl Christian, Johannes und Katharina gewidmet – auch weil sie viel Geduld aufbringen mussten, wenn der Ehemann und Papa mal wieder mit dessen Produktion beschäftigt war.

Jetzt sollten sich die Sprösslinge sputen und die freie Zeit mit ihrem Vater nutzen, denn das nächste Projekt steht schon an: Erhard Belz ist nämlich auch ein großer Weltraum-Fan und sammelt Autogramme und Gegenstände rund um die Apollo 13. 2010 ist der 40. Jahrestag der Weltraumkatastrophe („Houston, wir haben ein Problem.“). Ein perfekter Anlass, um erneut ein Buch auf den Markt zu bringen, zumal Belz solch interessante Dinge wie ein Stück Stoff vom Kommandantensitz der Rakete sein eigen nennt. Aber das ist eine andere Geschichte...

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Spezifikationen

  • Language: German